Liebe Freundin…

meine Kleidung spannt.

Dabei trage ich sie schon extra lange, sodass die Fasern ausreichend Zeit hatten sich zu dehnen und auszuleiern, um sich besser an meinen Körper anzupassen. Grundsätzlich spielt mein Gewicht natürlich keine Rolle. Meine Waage habe ich längstens aus meiner Wohnung und meinem Leben geschmissen. Mich auf Zahlen zu reduzieren scheint mir unpassend und löst nur unnötig Stress in mir aus.

Um die Gesundheit geht es mir. Und solange ich mich in diesem Rahmen befinde, ist alles in Ordnung. Dann kaufe ich mir gerne auch einfach die Kleidung eine Nummer größer, damit ich mich darin wieder wohler fühle. Doch genau das ist das Problem.

Auch der gesunde Rahmen ist bereits gedehnt und ausgeleiert. Und ich spüre es schon eine ganze Weile. Dafür muss meine Waage nicht wieder einziehen. Doch im Ignorieren bin ich ja bekanntlich talentiert. Bis zu dem Zeitpunkt als ich meinen Opa besuchte. Seine Waage thronte noch in seinem Badezimmer und als ich mir brav die Hände wusch, für das unglaubliche Vesper, das er extra für mich gezaubert hatte, konnte ich nicht anders.

Ich sprang auf und vor Entsetzen gleich wieder ab. Na toll. Das Vesper hatte ich mir gründlich versaut. Denn auch wenn sich in Sachen Ernährung die Geister häufig mal streiten, über den gesundheitlichen Wert von fetter Butter und einer Familienpackung Wurstaufschnitt sind sich alle einig. Da hilft auch das Essiggürkchen als Beilage nichts mehr. Und ich frage mich, wie es dazu kommen konnte? Verfüge ich doch über ausreichend Wissen in Sachen Gesundheit, zumindest bis zum heutigen Forschungsstand.

Aber auch das scheine ich zeitweise erfolgreich zu ignorieren. Ebenso wie die Tatsache, dass mein geliebtes Olivenöl zwar gesund ist, aber in Massen dann doch nicht mehr den gewünschten Effekt zeigt. Eher einen gemeinen Nebeneffekt. Hinterlistiges Biest. Warum nur hört die eigene Professionalität an der eigenen Haustüre auf? Aber warum sollte es mir anders ergehen als so vielen.

Es ist Zeit sich ein Herz zu fassen und ich weiß jetzt auch, was zu tun ist. Eine passende innere Haltung muss her. Also schenke ich meinem Körper besonders viel Aufmerksamkeit und mache mich schick. Ziehe Kleidung an, die sich noch angenehm anfühlt, gebe mir besonders viel Mühe bei der Körperpflege und meiner Frisur, sodass ich Lust bekomme in meinem Körper zu wohnen und ihm etwas Gutes zu tun. Denn darum geht es ja. Essen, trinken und sich bewegen für einen vitalen, glücklichen Körper.

Da wir essen, um Energie zu bekommen, damit wir den Tag gut meistern, macht es keinen Sinn zu essen, um abzunehmen. Vielmehr stellt sich die Frage, was meinem Körper guttut und wieviel davon. Also streifte ich völlig overdressed durch die Supermarktregale und versuchte die Blicke der anderen Mitkäufer zu ignorieren, die sich gegebenenfalls die Frage stellen könnten, wie ich mich wohl erst für einen Restaurantbesuch aufbrezele, wenn ich bereits in Abendgarderobe einkaufen gehe. Als nächstes musste ein passendes Ziel her. Wie gut, dass ich weiß, was ich nicht will. Zu enge Kleidung und fette Wurstbrote. (Mit Ausnahme, falls mein Opa mal wieder fürsorglich für mich einkaufen geht).

Aber was will ich stattdessen? Und wie soll sich das am Ende eigentlich anfühlen? Da ich weiß, dass ich für eine innere Haltung auch mein Unterbewusstsein mit einbeziehen muss, gehe ich auf die Suche nach einem Foto. Eines, das mich im Hinblick auf mein Ziel verzaubert und lächeln lässt. Letztendlich ist es ein Bild einer alten Steinbrücke mitten im Wald. Warum es mich anzieht, weiß ich zunächst selbst nicht. Aber schnell wird klar, dass es in meinem Fall um den Einbezug der Natur geht.

Sie hilft mir, mich kraftvoll, vital und mit meinem Körper mehr verbunden zu fühlen. Denn dieser entspringt unweigerlich der Natur. Und so sehr ich mich manchmal in meinem Geist verliere und meinen Körper außer acht lasse, ist er es, der mir überhaupt die Möglichkeit gibt, über all das nachzudenken. Also erschaffe ich mir einen Anker, der mich in Zukunft daran erinnern soll, vor jedem fett mit Butter bestrichenem Wurstbrot in mich hineinzuhören, um zu überprüfen, ob es wirklich das ist, was ich gerade brauche, um mein Leben glücklich auf dieser Erde zu leben.