Liebe Freundin…
heute war ich auf der Hochzeit meiner Cousine und es war einfach wundervoll. Die Einladung kam per WhatsApp. Schlicht, aber traumhaft schön. Und sie trug das Kleid ihrer Mutter. Liebevoll hatte es diese nach 40 Jahren Aufbewahrung im Schrank ausgewaschen und die Puffärmel abgetrennt, um das Kleid aus den 80er Jahren in die Moderne zu transformieren.
Nach der Trauung im Rathaus und vielen Gläsern Sekt, aßen wir die köstlichste Überraschungs-Hochzeitstorte an einem herrlich vom Bräutigam dekorierten Tisch. Und ich war beseelt und berührt. Von diesen zwei Menschen, denen es einfach nur wichtig war, ihre tiefe Liebe zu besiegeln und mit ihren Liebsten zu feiern. Der Wert dieser Liebe so groß, dass nichts weiter von Nöten gewesen war. Einfach, dafür echt und authentisch.
Und ich fragte mich, wie ich selbst meine Hochzeit feiern wollen würde. Auf jeden Fall barfuß am Strand. Mit Blumenkranz in meinen langen blonden Locken. Dabei sind meine Haare weder lang, noch blond, noch lockig. Und ich frage mich, welches Bild ich da im Kopf habe. Wessen Hochzeit möchte ich da eigentlich feiern? Tatsächlich meine eigene? Oder orientiere ich mich doch an anderen? Und nach welchen Kriterien bewerte ich es? Wieviel davon entspricht meinen eigenen Werten und wieviel wert sind mir meine eigenen Werte in Wirklichkeit? Vor allem, wenn andere meinen Werten nur sehr wenig oder kaum an Wert zugestehen? Wer bin ich, wenn ich mich nur noch an mir selbst und nicht mehr an den anderen orientiere?
Vielleicht wünscht sich mein Innerstes doch lieber Moon Boots für den Tag, an dem ich mich für immer binden möchte? Wer weiß das schon? Und ich kenne die Antwort. Denn diese weiß nur ich selbst. Tief im Inneren. Leider oftmals eben nur noch schwer zugänglich. Zugeschüttet von möglicherweise schmerzhaften Erfahrungen, an denen wir unsere Wahrheit gelebt und auf Ablehnung gestoßen sind. Dabei sind Zugehörigkeit und Anerkennung unsere innigsten Bedürfnisse. Doch wirklich glücklich werden wir eben erst dann, wenn wir wissen wer wir sind und was wir tief im Inneren wollen. Zum Beispiel Moon Boots zu tragen, um die Füße warm zu halten, anstatt barfuß mit kalten Füßen vom Altar davon zu laufen.
Also achte ich auf meine Träume. Vielleicht bekomme ich ein paar Hinweise aus meinem Unterbewusstsein. Und ich achte ebenso auf das, was ich fühle und gebe mir größte Mühe, danach zu handeln. Denke lieber zweimal darüber nach, ob ich etwas für mich oder für die Anerkennung jemand anderes mache. Ich denke über all meine Reisen nach und stelle fest, dass meine WERTvollsten Erinnerungen immer nur mit mir selbst zu tun hatten. Ob mit Adrenalin vollgepumpt auf einem Moped-Taxi in Myanmar, lachend mit Bierflasche in der Hand und einem völlig fremden Paar in einer Kneipe von Berlin oder kuschelnd daheim auf meinem Sofa.
Solange ich das tue, was mich wirklich glücklich macht, kann ich es auch sein. Dann hat das eine nicht mehr wert, als das andere. Als ich mir drei Monate Sabbat genommen hatte, dachte ich, ich müsse unbedingt reisen. Wann hat man schon so viel Zeit? Oder wenigstens in Indien in einem Krankenhaus unterstützend mitwirken. Und ich war in einem Dilemma. Denn mein Innerstes wollte drei Monate auf meinem Balkon sitzen und Aperol Spritz trinken. Wow. Ich meldete an mein Innerstes zurück, dass das wirklich wenig aufregend klang. Die Antwort war beim bloßen Gedanken daran jedoch eine Menge Glücksgefühle.
Da natürlich auch meine Leber ein Wörtchen mitzusprechen hatte, entschied ich mich letztendlich für den Mittelweg. Ich lernte zunächst fleißig spanische Vokabeln und Grammatik auf meinem wunderschönen Balkon. Manchmal auch mit einem Gläschen Aperol. Und zog dann letztendlich für fünf Wochen durch Spanien, die Kanaren und Mallorca. Was mir davon geblieben ist? Mein Spanischlehrer. Ein wundervoller Freund und Wegbegleiter. Und mittlerweile weiß ich, es ist egal wo auf der Welt ich mich gerade aufhalte, Hauptsache ich habe mich selbst dabei.
Und so träume ich mich zurück zur Fantasie meiner perfekten Hochzeit. Und noch immer habe ich einen Blumenkranz im Haar, aber diesmal sind es meine eigenen.