Liebe Freundin…
mein Rücken schmerzt. Und ich weiß, du würdest mich sofort fragen, was er mir denn zu sagen hat. Zumindest hab´ ich eine leise Ahnung davon, woher es kommen könnte. Ich bin wirklich äußerst talentiert darin nichts zu tun und auszuruhen. Manchmal denke ich mein Gammeln grenzt schon an Leistungssport.
Und ich hatte es wirklich verdient. Wofür sind die Feiertage sonst da? Selbst denken, meditieren oder lesen schien mir zu anstrengend.
Also war es der Fernseher, der mich zwei Tage lang in seinen Fängen hielt. Und ich hatte mein schlechtes Gewissen deswegen gut im Griff. Auch darin scheine ich begabt zu sein. Das allein wäre wahrscheinlich für meinen Rücken noch annehmbar gewesen, hätte ich nicht die Angewohnheit lieber vor dem Sofa, als darauf zu sitzen. Nach neun Stunden fast völliger Regungslosigkeit, abgesehen von mehreren Gewichtsverlagerungen, damit wenigstens immer mal wieder eine meiner beiden Pobacken aus dem Tiefschlaf erwacht, wird mein Rücken wohl angepisst gewesen sein.
(Ich hoffe meine Chiropraktikerin wird diesen Brief nie lesen, sie wäre schlicht schockiert.)
Aber ich war gefangen. Gefangen in der royalen Welt der englischen Königsfamilie. Die Regisseure wären wahrscheinlich äußerst stolz, würden sie von meinem schmerzenden Rücken erfahren. Dabei interessiere ich mich nicht einmal für Königshäuser. Gefesselt war ich allerdings von den tiefen menschlichen Emotionen, die nicht nur diese, sondern jede Familie, Beziehung oder Institution in sich trägt. Und immer wieder stellt sich die Frage der Zugehörigkeit.
Zu wem gehöre ich? Zu wem möchte ich gehören? Zu wem gehöre ich, will es aber gar nicht? Und welche Energie bringe ich dafür auf?
Zugehörigkeit gibt uns ein Gefühl von Sicherheit und zählt somit zu unseren Grundbedürfnissen. Was aber, wenn mir Menschen nicht mehr guttun, auch wenn es vielleicht einmal so war? Oder es nie so war, ich aber festgehalten werde? Was, wenn ich unbedingt dazu gehören möchte, aber immer wieder merke und sei es nur an Kleinigkeiten, dass es einfach nicht so ist? Oder ich mit meinen eigenen Werten anecke und mich dadurch am Ende sogar selbst in Frage stelle? Die Royals haben mich also entgegen meines Gammel-Planes zum Nachdenken gebracht. Eine Familie des öffentlichen Lebens, die selbst dazu dient, der Gesellschaft ein Gefühl von Zugehörigkeit zu verschaffen.
Ich dachte also nach über das, was wir investieren, um uns zugehörig zu fühlen. Wahrscheinlich vor allem Zeit. Aber auch Selbstfürsorge. Manchmal stecken wir auf dem Weg dorthin auch ein paar Kränkungen ein oder es kostet tatsächlich bares Geld. Und wenn wir dann vermeintlich Zugehörigkeit gefunden haben, geht es weiter, denn dann wollen wir sie ja auf jeden Fall behalten.
Ich erinnere mich, wie ich stundenlang in der Küche stand, um dem Mann, zu dem ich mich zu diesem Zeitpunkt zugehörig fühlte, ein köstliches Mahl zu bereiten, was ich wirklich gerne tat. Zumindest manchmal. Ich freute mich, wenn er sich freute und ärgerte mich, als es zur Selbstverständlichkeit wurde. Ein anderer kam sofort unter Stress, wenn ich das tat. Er wollte nicht verwöhnt werden, was mich ebenso ärgerte, schließlich mache ich das ja gerne.
Glücklicherweise weiß ich wenigstens was ich selbst brauche, was mir schmeckt und was mir gut tut. Wäre es also im Umkehrschluss nicht viel einfacher zunächst mal mich selbst zu verwöhnen? Voller Dankbarkeit darüber, dass es mich gibt und ich die Gabe habe, mich selbst und andere zumindest zeitweise glücklich zu machen? Gehöre ich in erster Linie nicht schlicht zu mir selbst?
Diese Erkenntnis macht mich glücklicher als je zuvor. Denn bei mir weiß ich genau, was ich zu tun habe, damit es mir gut geht. Ich laufe auch nicht weg, was natürlich manchmal ebenso anstrengend sein kann. Wobei ich mich im Großen und Ganzen zum Glück gut leiden mag. (Wobei Glück hierbei wahrscheinlich eine weit weniger große Rolle spielt, als diverse therapeutische Seminare.)
Umso mehr gilt es, viel Liebe in meine eigene Fürsorge zu stecken. Und einfach mal nur für mich stundenlang in der Küche zu stehen.
Denn mit dem Wissen, dass ich zu mir gehöre, bin ich es, die mir Sicherheit gibt. Und wenn ich mich sicher fühle, bin ich offen für die Liebe, die mir entgegengebracht wird, ob ich nun zu diesen Menschen gehöre oder nicht. Und als netter Nebeneffekt muss ich mich sehr viel weniger ärgern.
Ein Gefühl der Zugehörigkeit ist wundervoll. Sei es durch andere oder durch mich selbst. Aber es ist stets in Fülle vorhanden.
In diesem Sinne lieber Rücken, ich habe verstanden, was du mir sagen möchtest. Ich gehe jetzt eine Runde für dich laufen…